Vereinsgeschichte
Durch Zitate aus Originalquellen ist ein für den heutigen Leser sehr informativer und in vielen Passagen zum Schmunzeln anregender Bericht über Ursprung und Entwicklung unseres Vereins entstanden. Eine Zeitreise von über 100 Jahren, eine wirklich empfehlenswerte Lektüre
Angefangen hat alles im Jahr 1903…
Frühjahr 1903 – die revolutionären Ideen von Turnvater Jahn haben Pfrondorf erreicht. Am 15. März treffen sich in der Wirtschaft „Zur schönen Aussicht“ gestandene Mannsbilder, um über die Gründung eines Vereins zur leiblichen Ertüchtigung zu beraten. Sie kommen offenbar zu einem historischen Entschluss, denn bereits einen Tag später, am 16. März 1903, wird bei einer weiteren Sitzung, diesmal in der Wirtschaft „Germania“, der komplette Vorstand des Vereins gewählt – Vorstand, 1. und 2. Turnwart, Schriftwart, Kassier, Zeugwart, Vereinsdiener und 4 weitere „Turnratsmitglieder“ werden benannt. Die Geburtsstunde des „Turnvereins Pfrondorf“ hat geschlagen.
Schon im April finden 5 Turnratssitzungen statt. Zuerst werden, wie im Vereinsleben eben erforderlich, die Statuten aufgestellt und von der Versammlung abgesegnet. Dann wird die Grundausstattung an Geräten bestellt, nämlich ein Reck und ein Barren, 70 Vereinszeichen, 20 Turnstäbe und ein Wagen Loh (das sind Abfälle aus der Gerberei, die zwar ziemlich streng riechen, aber einen weichen Boden abgeben). Das Eintrittsgeld für die Mitglieder wird auch festgelegt, eine Mark pro Mitglied, Zöglinge 50 Pfennige, und die Monatsbeiträge in Höhe von 20 Pfennigen für Mitglieder und 10 Pfennigen für Zöglinge. Wir werden über die Entwicklung der Preise in diesem Jahrhundert noch Erfahrungen sammeln.
Offenbar findet die stürmische Entwicklung des Vereins im Gemeinderat Pfrondorf keinen Widerhall. Protokolle des Gemeinderates aus dieser Zeit beschäftigen sich mit der neu eingeführten Fleischbeschau, nicht aber mit den Problemen des Vereins. Auch findet der neue Verein wohl nicht ungeteilte Zustimmung. Bereits am 16. April „wurden dem Verein durch böse Hand am Barren beide Holme abgesägt und die Pfosten beschädigt“. Andererseits werden auch großzügige Geschenke eingebracht, wie zwei Stemmgewichte, neun Turnstangen, eine Reckstange und, für den Verein von großer Wichtigkeit, der Vereinsstempel.
Jeder Verein, der das Rampenlicht der Öffentlichkeit sucht, ist auf das positive Auftreten seiner Mitglieder bedacht. Also wird beschlossen: unanständiges Betragen auf dem und außerhalb des Turnplatzes wird mit einer Ordnungsstrafe von 10 Pfennigen belegt. Dieselbe Strafe ist fällig bei unentschuldigtem Ausbleiben von den festgesetzten Turnstunden. Vereinsmitglieder, die es an ordentlichem Betragen oder Respekt gegenüber der Vorstandschaft fehlen lassen, sollen erstmal verwarnt, bei Wiederholung aber ausgeschlossen werden können. Sonntags von 7 Uhr bis 8 Uhr ist Riegenturnen, von halb 9 Uhr an muss der Turnplatz während der Kirche unbedingt frei sein. Hochzeiten und Todesfälle von Vereinsmitgliedern werden geschlossen vom Verein begleitet.
Feiern gehört zum Verein wie der Most zum Vesper. Gleich das erste Weihnachtsfest 1903 wird gemeinsam gefeiert, ebenso das folgende Fasnachtskränzchen. Hat ein Mitglied Hochzeit, versammelt sich der Verein abends, um gemeinsam zur Hochzeit zu gehen. Im Juli 1904, der wohl sehr trocken war, spendierte der Bräutigam dem Verein ein Fass Bier, und als das ausgetrunken war, zahlten zwei frisch gebackene Ausschußmitglieder gleich noch eines.
Vorgeturnt wird daheim auf dem Turnplatz („Abturnen mit Preisverleihung“) oder bei den Turnfesten in der Umgebung. Zum Kreisturnfest in Reutlingen 1904 ist für die 30 aktiven Mitglieder Abmarsch morgens um 4 Uhr 45 zum Bahnhof in Kirchentellinsfurt, weiter mit dem Zug nach Reutlingen, dort vom Bahnhof zur Wirtschaft „Zum Hahnen“ wegen Frühschoppen. Von dort geht es „mit Sang und Klang“ durch die Wilhelmstraße zum Festplatz, wo die Darbietungen der besten Turner aus Schwaben begutachtet werden, anschließend zum gemeinschaftlichen Mittagessen in den „Goldenen Bären“, dann zum Mittagsschoppen und um 2 Uhr geht dann der Festzug los. Um halb 6 Uhr wird der Rückweg angetreten, der über den „Ochsen“ in Kirchentellinsfurt ohne Umweg nach Pfrondorf in die „Linde“ führt, von wo sich der Verein so langsam verlief.
Hinter der Fahne versammelt sich der Verein, und je schöner das Banner, desto mehr Mitglieder marschieren mit. Schon 1905 empfindet der Turnverein sich als derart gefestigt, dass eine Fahne in der Zeitung ausgeschrieben wird. Interessierte Fahnenhersteller werden auf den 2. April, einen Sonntag, ins Gasthaus „Lamm“ bestellt. Einer der Lieferanten erscheint aber schon eine Woche vorher beim Vorstand. Der lässt sich auf einen Vertrag ein, „die Fahne samt Zubehör und 10-jähriger Garantie um den Preis von 220 Mark zu verackordieren“. Für diesen Alleingang wird die Vorstandschaft heftigst kritisiert, allein, die Fahne war bestellt und wird, gerade noch rechtzeitig zur feierlichen Weihe, auch geliefert. Sie kostet jedoch 249,60 Mark!